Idee und Zielsetzung


In einer Welt der sich beschleunigenden gesellschaftlichen Transformationsprozesse, darunter die zunehmenden Migrations- und Fluchtbewegungen, setzen sich Identitäten immer komplexer zusammen und entstehen nicht mehr maßgeblich in einer eindeutig verortbaren lokalen, soziokulturellen oder sprachlichen Gruppe. Es ist daher notwendig über Differenzen und Verbundenheiten nachzudenken und dabei die jeweils eigene Position zu reflektieren.

Anders als der Verweis „interkulturell“ im Namen des Seminars nahelegt, denken wir Kulturen nicht als geschlossene Systeme: Lokales und Globales tauchen allerorts in neuen Verbindungen auf - durchdrungen von vielfältigen anderen Identifikationsmomenten, Zuschreibungen und materiellen Realitäten. So entstehen vielfältige Lebensstile, Alltagswirklichkeiten und kulturelle Repertoires. Wir gehen davon aus, dass gerade das Erleben von Andersheit, Übersetzung und Aushandlung die Begegnungen zwischen Patient:innen und Behandler:innen, wie auch zwischen Kolleg:innen und Disziplinen wesentlich bestimmen. Die Begegnungen im Berliner Seminar eröffnen einen diskursiven Raum, in dem Transkulturalität in Differenz und Verbundenheit erfahrbar wird.

Die interdisziplinäre Verknüpfung von Ethnologie und Sozial- und Kulturwissenschaften mit der Psychoanalyse scheint uns besonders geeignet, um die Reaktionen der Individuen auf gesellschaftliche Transformationsprozesse zugleich in ihrem Erleben und vor ihren jeweiligen biografischen und sozialen Hintergründen zu betrachten.

Ziel der Weiterbildung ist es, über einen psychoanalytisch orientierten Zugang
• Intrapsychische, intersubjektive und gruppale Dynamiken, also das Zusammenspiel zwischen Individuellem und Soziokulturellem erfahrbar und begreifbar zu machen,
• wechselseitige unbewusste Prozesse zwischen Individuum, Gruppen und Gemeinschaften und Kollektiv zu reflektieren und
• Übergangsräume zu öffnen und erhalten.

Das Angebot richtet sich an Kolleg:innen, die in verschiedenen deutschsprachigen Ländern leben und arbeiten. Die Weiterbildung findet auf Deutsch statt.

Voraussetzung ist eine therapeutische Ausbildung mit entsprechender Selbsterfahrung absolviert oder begonnen zu haben.

Struktur & Programm


Die Weiterbildung des BSIPS gliedert sich in vier zweitägige Blöcke. Jede Weiterbildungseinheit umfasst:

• Theorievorträge und Panels sowie partizipative Denkräume,
• Selbsterfahrung im Rahmen der analytischen Großgruppe &
• Inter- bzw. transkulturelle Supervisionsgruppen.

Theorievorträge

Neben klassischen Vortragformaten und Paneldiskussionen bieten Denkräume die Möglichkeit für Teilnehmer:innen eigene Erfahrungen, Ideen und Konzepte einzubringen und im gemeinsamen Dialog weiterzuentwickeln.

Selbsterfahrung in der analytischen Großgruppe

In einem Gruppenprozess können Differenz und Verbundenheit lebendig werden. Teilnehmer:innen verhandeln gemeinsam Diversität und multiple Zugehörigkeiten in der Weiterbildungsgruppe. Dies fördert das Verständnis der eigenen soziokulturellen Positionierung, daraus resultierender Selbst- und Fremdzuschreibungen, verweist auf Konfliktpotentiale und ermöglicht das Erproben von Kommunikations- und Verständigungsmöglichkeiten.

Interkulturelle Supervision

Im Rahmen einer technisch-kasuistischen Fallarbeit können Teilnehmer:innen ihre Praxiskompetenzen vertiefen. Durch die diverse Zusammensetzung der Supervisionsgruppen werden die soziokulturellen Repertoires und sozialen Positionen der Teilnehmer:innen zu Ressourcen, die Unverstandenes in seiner intrapsychischen, intersubjektiven und gruppenbezogenen Bedeutung erschließbar machen.

Themenschwerpunkte sind:

• aktuelle gesellschaftliche Diskurse und ihre intrapsychischen und gruppendynamischen Auswirkungen
• Rassistische und andere Marginalisierungsdynamiken
• Beziehungs- und transkulturelle Konflikte
• transgenerationale Dynamiken & Traumatisierungen,
• Sexualitäten und Geschlechterkonstruktionen,
• Entwicklung der Persönlichkeit & Identität.

Termine:

Der nächste Zyklus findet jeweils freitags von 9:00 – 18:15 Uhr sowie samstags von 9:00 – 18:00 Uhr an folgenden Terminen statt:
17.-18.1.2025 Block I: Räume – Transkultureller Übergangsraum, Hybridität, Digitalität
30.-31.5.2025 Block II: Sprachen – Muttersprache, Vatersprache, Sprache d. Identitätspolitik
19.-20.9.2025 Block III: Grenzen – Vernichtung, Tod, Trennung
16.-17.1.2026 Block IV: Sexualitäten – Unbekanntes, Lust, Körper

Dozent:innen und Mitwirkende


Wir arbeiten seit 20 Jahren in vielfältigen klinischen, supervisorischen und wissenschaftlichen Konstellationen zusammen. Unsere Zusammenarbeit zeichnet sich durch unsere interdisziplinären, internationalen, mehrsprachigen und transkulturellen Perspektiven aus, die uns das Analysieren des Ineinandergreifens von intra- und intersubjektiven ebenso wie gruppenbezogener Dynamiken ermöglicht.
Unsere gemeinsamen Arbeits-, Reflektions- und Denkräume ermöglichen die Entwicklung einer therapeutischen Haltung, die die beschleunigten gesellschaftlichen Transformationsprozesse im therapeutischen Raum lebendig und bearbeitbar werden läßt.

Fares Albahra, Facharzt für Psychiatrie in Syrien, Assistenzarzt für Psychiatrie und Psychotherapie (TfP)
Dipl. Psych. Monika Englisch, Psychoanalytikerin (PA, TfP), Lehranalytikerin, Supervisorin
Dipl. Psych. Şahap Eraslan, Psychoanalytiker (PA, TfP), Lehranalytiker, Supervisor
Dipl. Psych. Sanja Hodžić, Psychoanalytikerin (PA, TfP)
Dr. med. Nadja Kassim, Neurologin, Psychiaterin, Psychotherapeutin (TfP)
Prof. Dr. phil. Dipl. Psych. Ulrike Kluge, Psychoanalytikerin (PA, TfP), Gruppenanalytikerin
Dr. phil. Roxana Mahdavi, Psychoanalytikerin (PA, TfP), Lehrtherapeutin, Supervisorin
Dr. med. Berenice Romero, Psychiaterin, Psychoanalytikerin (PA, TfP)
M. Sc. Psych. Steffen Schödwell, Psychoanalytiker (PA, TfP), Gruppenanalytiker i.A. und Regionalwissenschaftler für Südostasien

Für Theorievorträge und Panels werden neben dem Kernteam externe Expert:innen eingeladen und namentlich im Vorfeld bekanntgegeben.

Anmeldung & Organisation


Die Anmeldung erfolgt formlos an bsips@b-i-r-d.de und ist bis zum 30.11.2024 möglich. Nach Zahlungseingang wird Ihre Teilnahme verbindlich bestätigt. Bitte überweisen sie den vollständigen Betrag auf unser Konto:

Deutsche Skatbank
IBAN: DE54 8306 5408 0005 4062 42
BIC: GENODEF1SLR

Bei einer Stornierung nach dem 30.11.2024 ist eine Rückerstattung der Teilnahmegebühr nicht mehr möglich. Die Weiterbildung ist auf 36 Teilnehmende begrenzt.

Teilnehmer:innenbeitrag

1950,- für die einjährige Weiterbildung
1200,- ermäßigt für Ausbildungskandidat*innen, Auszubildende

Der erste Block im Januar wird durch die Berliner Ärztekammer mit 16 Fortbildungspunkten zertifiziert. (Für die weiteren drei Blöcke ist die Zertifizierung bereits beantragt.)

Ort


Seminarraum für Neurologie im Bonhoeffer Weg 3, Charité Campus Mitte (CCM), Bonhoeffer Weg 3, 10117 Berlin